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Grosskraftwerke in Not – Gastkommentar im «ImBrennpunkt» (Ausgabe 1/2016)

Die einheimische Grosswasserkraft leidet unter dem Preiszerfall auf dem europäischen Strommarkt. Das Rückgrat unserer umweltfreundlichen Stromproduktion ist in seiner Wirtschaftlichkeit gefährdet. Die heutige Marktsituation ist zum Grossteil das Ergebnis verfehlter politischer Entscheide und Eingriffe ins Marktgleichgewicht.

Von Dr. Albert Rösti, Präsident AVES Schweiz

Der Zerfall der Handelspreise auf dem europäischen Strommarkt ist frappant. Die Spot-Preise (Swissix Base) schwanken derzeit zwischen 3 und 4 Rappen pro Kilowattstunde. Im Vergleich zum Hochpreisjahr 2008 haben sich damit die Preise wechselkursbedingt geviertelt. Aufgrund der Teilliberalisierung des Strommarkts müssen die einheimischen Grosswasserkraftwerke mit rund der Hälfte des produzierten Stroms am freien Markt bestehen. Die Gestehungs­kosten belaufen sich auf 3 bis 10 Rappen pro Kilowattstunde, weshalb einige Gross­wasserkraftwerke nicht mehr kostendeckend produzieren können.

Preiszerfall hat verschiedene Ursachen
Die Faktoren, die zum massiven Preiszerfall geführt haben, sind auf in Europa getroffene politische Entscheide und die damit verbundenen Eingriffen ins Marktgleichgewicht zurückzuführen. Als Erstes ist die exzessive Subventionierung von Strom aus neuen erneuerbaren Quellen zu nennen. So fördert allein Deutschland diese Energien mit jährlich gegen 25 Milliarden Euro. Dies führt zu einer massiven Verzerrung der Preise, nicht subventionierte Energieträger sind kaum mehr konkurrenzfähig. Zudem geniessen die neuen erneuerbaren Energien Vorrang bei der Einspeisung, was andere Energieträger diskriminiert. Dies führt zur paradoxen Situation, dass die – berücksichtigt man die Produktion und den Ressourcenverbrauch pro produzierte Kilowattstunde – deutlich umweltbelastendere Photovoltaik die saubere Wasserkraft verdrängt.

Ein weiterer Grund ist das Erstarken fossiler Grosskraftwerke. Sie profitieren vom Preiszerfall sowohl für die Primärenergie, insbesondere für Kohle, als auch bei den CO2-Zertifikaten. So kostet heute in Europa die Emission einer Tonne CO2 noch rund 5,50 Euro, fünf Jahre zuvor betrug der Preis noch 17 Euro. Braun- und Steinkohlekraftwerke können so zu deutlich günstigeren variablen Kosten produzieren, ihre Gestehungskosten liegen derzeit bei 2 bis 4 Rappen pro Kilowattstunde.

Zudem fiel die konjunkturelle Entwicklung in der EU in den letzten Jahren deutlich niedriger aus als prognostiziert. Dies hat die Nachfrage nach Strom in den letzten fünf Jahren um jährlich rund ein Prozent sinken lassen. In diesem Zusammenhang spielt auch das Erstarken des Schweizer Frankens eine nicht unwesentliche Rolle. So ist heute Strom aus Europa aufgrund des Wechselkurses rund 15 Prozent günstiger als noch vor fünf Jahren.

Es gibt aber durchaus auch haus­gemachte Ursachen. Wie der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband zu bedenken gibt, lösen Kostensenkungsprogramme bei Grosswasserkraftwerken das Problem nicht, denn vom Kraftwerksbetreiber sind nur noch rund 20 Prozent der Gestehungskosten beeinflussbar. Der Löwenanteil entfällt auf Kapitalkosten und Abschreibungen sowie ständig steigende Abgaben an die Kantone, sprich Wasserzinsen. Weiter senken auch sich stetig verschärfende Restriktionen bei der Wassernutzung die Rentabilität.

Belastungen für die Wasserkraft senken
Verständlicherweise macht sich die Politik im Rahmen der Energiestrategie 2050 Gedanken, wie das Rückgrat unserer umweltfreundlichen Stromproduktion angesichts der zum Grossteil unverschuldeten Situation gestützt werden kann – obwohl keine Wasserkraftwerke unmittelbar von einer Schliessung bedroht sind.

Es kann jedoch nicht angehen, dass 2015 die Wasserzinsen um zehn Prozent steigen und wenige Monate später Subventionen für Wasserkraftwerke eingeführt werden sollen. So werden einmal mehr KMU und Haushalte geschröpft. Auch die Kantone sind gehalten in dieser ausserordentlichen Lage einen Beitrag zu leisten. Immerhin steigt die KEV mit einer allfälligen Subventionierung der Wasserkraft nicht weiter als die schon beschlossenen 2,3 Rappen an.

Vielmehr gilt es, die bestehenden Rahmenbedingungen zugunsten der Grosswasserkraftwerke anzupassen. Denn eine umweltschonende und klimaverträgliche Stromzukunft gibt es in der Schweiz nur mit der Wasserkraft. Dazu sind nicht nur Korrekturen bei den Wasserzinsen und sonstigen Abgaben notwendig. Denkbar ist beispielsweise auch eine Flexibilisierung der Wassernutzung (Restwassermenge, Vorgaben zu Schwall und Sunk). Massnahmen in diesen Bereichen würden keine neuen Diskriminierungen schaffen und hätten positive Auswirkungen auf die Gestehungskosten.

Wie weiter?
Eine nachhaltige Gesundung der Schweizer Wasserkraft kann erst eintreten, wenn europaweit die marktverzerrenden Subventionen abgebaut und diejenigen Energieträger zum Zuge kommen, die den Strom am nachhaltigsten und wirtschaftlichsten produzieren. Dafür bringt die Schweizer Wasserkraft die besten Voraussetzungen mit.

Link: Gastkommentar im «ImBrennpunkt»

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